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AutorenbildBernd Jörs

Entscheidungsstrategien - Angst vor „falschen“ Entscheidungen der Berufs- und Studienwahl

„Ich kann mich – jetzt – noch nicht wirklich entscheiden“

Irgendwas mit….Technik, …mit Menschen,…mit Business…..mit Forschung

In der bisherigen Schulzeit hat man selten gelernt, eigene Entscheidungen zu treffen. Die Fächer, die Unterrichtszeiten und -formen sowie Prüfungen sind vorgeschrieben. Und jetzt soll man eine eigene, eine persönliche, eine individuelle Entscheidung treffen? Für’s (ganze) Leben?

Kein Wunder, dass 4 von 5 Personen nicht wirklich wissen, was genau ihre Leidenschaft ist und sich nicht entscheiden können[1]. Entscheidungsfindung in der Schul- und Studienzeit war begrenzt auf die Selektion von Wahlmöglichkeiten für bestimmte (Wahl)Fächer.

Zudem herrscht immer noch vielerorts die Vorstellung, „gute“ Entscheidungen hängen von der Sammlung möglichst vieler Informationen ab. Wenn Sie im Supermarkt zwei Anbieter neuer Marmeladensorten haben, die Sie probieren können, wer wird mehr verkaufen? Ein Stand mit 6 neuen Marmeladen oder der Stand mit 24 neuen Marmeladengläsern (= mehr Informationen und mehr Auswahl). Die Antwort ist für Sie nicht schwer: Natürlich der Anbieter mit 6 neuen Marmeladengläsern[2]. Der Information overload und die Zahl der Probier- und Kaufentscheidungen trifft auf ein Gehirn, dass mit zu viel Informationen und Entscheidungen aus dem Gleichgewicht kommt. Hinzu kommt noch die Angst, falsche Entscheidungen zu treffen. Auch wenn das viele nicht gerne hören, aber in solchen Entscheidungssituationen sind oft bestimmte „Heuristiken“ (Daumenregeln, Intuition) zur Entscheidungsfindung auch geeignet und manchmal besser. Beispiele gefällig?

1. Sie sollen einen Ball fangen: Hier die Formel für die Berechnung der Flugbahn[3]:


Der Berliner Risikoforscher, Prof. Dr. G. Gigerenzer, zeigt, dass eine einfache „Blickheuristik“ reicht, um den Ball mit wenigen Informationen zu fangen.

2. Bei Geldanlagen kann man mit hohem mathematischem Aufwand arbeiten, wie z.B. nach der Rendite-Risiko-Formel (Mean-Variance-Model) des Wirtschafts-Nobelpreisträgers Harry Markowitz, oder das Geld gleichverteilt anlegen[4]: Oft trifft man mit solch‘ einfachen Verfahren die bessere Entscheidung, was Markowitz übrigens selbst auch tat. Komplexität erfordert nicht immer komplexe Lösungsfindungsprozesse.


3. Ärzte müssen bei Notfällen rasch eine Entscheidung treffen: Intensivstation oder Normalbett? Normalerweise müssen hierzu die Anamnesen des Patienten studiert werden. Bei über 56 Merkmalen, eine aufwendige Angelegenheit: Wie wäre es mit der „Take-the-Best-Heuristik“ (TTB)[5], die ist einfach, schnell, transparent, genügsam, nachvollziehbar und robust, und oft mit dem besten Entscheidungsergebnis ausgestattet? Bilde eine Liste mit Entscheidungskriterien und bringe diese in eine Rangfolge (Präferenzfolge). Jetzt vergleiche die Alternativen nach den aufgestellten Entscheidungskriterien (1.= wichtigstes Entscheidungskriterium, 2.= zweitwichtigstes Entscheidungskriterium usw.). Sobald eine von zwei Alternativen eines der Entscheidungskriterien nicht erfüllt, kann man aufhören und die verbliebene Alternative auswählen und mit der nächsten Alternative vergleichen. Viele zählen auch nur die Zahl der Pro- und Contra-Argumente und schauen dann, welche der beiden Argumentationsklassen mehr Erwähnungen findet, nach der Devise 4 Dinge sprechen dafür, 5 dagegen, also nehme ich das Objekt nicht. Sucht man so seinen Partner/seine Partnerin? Garantiert nicht.

Gigerenzer und Co. haben diese Entscheidungsheuristik der „Take-the-Best-Heuristik“, die mit relativ geringem Informationsaufwand auskommt, für Entscheidungsprozesse bei medizinischen Notfällen (Michigan Hospital) getestet, und der Erfolg (weniger Fehlentscheidungen bei Herzinfakt-Notfällen) gab ihnen recht[6].



Also, intuitive Entscheidungen – Bauchentscheidungen (gut feeling) sind wohl die mitentscheidendsten Beurteilungskriterien, wenn zu viel unsichere Informationen auf einen zufließen. Und natürlich der Zufall.

Gigerenzer spricht davon, dass man, um gute Entscheidungen treffen zu können, manchmal auch den Mut haben muss, Informationen zu ignorieren und man eher robuste statt optimale Lösungen anstreben sollte“[7]. Recht hat er.

Je mehr Informationen, desto besser heißt oftmals die unglückliche Devise und falsche Empfehlung.

EMPOWER YOURSELF.

[1] Schon 2003 haben die kanadischen Wissenschaftler R. Vallerand, C. Blanchard, G. A. Mageau, R. Koestner, C. Ratelle, M. Léonard und M. Gagne in ihrer bekannten Studie ca. 540 Studenten (ca. 40% männlich, 60% weiblich) im Durchschnittsalter von 19 Jahre zu ihren persönlichen „Leidenschaften“ befragt ((R. Vallerand, C. Blanchard, G. A. Mageau, R. Koestner, C. Ratelle, M. Léonard und M. Gagne: Les Passions de l’Ame: On Obsessive and Harmonious Passion; in: Journal of Personality and Social Psychology, 2003, Vol. 85, S. 756 – 767). [2] G. Gigerenzer, Gigerenzer: Bauchentscheidungen: Die Intelligenz des Unbewussten, 2007 [3] http://www.siaf.ch/files/gigerenzer2.pdf [4] http://www.siaf.ch/files/gigerenzer2.pdf [5] G. Gigerenzer: Bauchentscheidungen: Die Intelligenz des Unbewussten, 2007 [6] G. Gigerenzer, Gigerenzer: Bauchentscheidungen: Die Intelligenz des Unbewussten, 2007, in Anlehnung an Green/Mehr 1997. [7] http://docplayer.org/131488957-Die-kunst-des-entscheidens.html

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